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Religiös motivierte Klimaaktivist:innen stellen Solidarität gegen Repression
Seit zwei Jahren sind christliche Aktivist:innen rund um den Braunkohle-Tagebau Garzweiler vor den Toren der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf aktiv. Unter dem Motto „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ galt ihr Fokus zunächst den dortigen Kirchengebäuden, die vom Bistum an die Minengesellschaft RWE verkauft wurden und abgerissen werden sollten. Doch bald begannen sie, das Kreuz von den Gebäuden fort ganz nah an den Abgrund zu tragen, und stellten mit der gelben Farbe des Widerstands angestrichene Kreuze als weithin sichtbare Symbole vor den Baggern auf. Eine von ihnen wurde dafür jetzt wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. „Warum nur sie?“, fragen sich ihre Mitstreiter:innen, die aus allen Lebensbereichen und Altersgruppen kommen. „Wir haben doch auch ein Kreuz aufgestellt. Auch wenn uns ganz unterschiedliche Wege zu diesem Kreuz geführt haben – hier stehen wir und können nicht anders!“
Seit zwei Jahren sind christliche Aktivist:innen rund um den Braunkohle-Tagebau Garzweiler vor den Toren der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf aktiv. Unter dem Motto „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ galt ihr Fokus zunächst den dortigen Kirchengebäuden, die vom Bistum an die Minengesellschaft RWE verkauft wurden und abgerissen werden sollten. Doch bald begannen sie, das Kreuz von den Gebäuden fort ganz nah an den Abgrund zu tragen, und stellten mit der gelben Farbe des Widerstands angestrichene Kreuze als weithin sichtbare Symbole vor den Baggern auf. Eine von ihnen wurde dafür jetzt wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. „Warum nur sie?“, fragen sich ihre Mitstreiter:innen, die aus allen Lebensbereichen und Altersgruppen kommen. „Wir haben doch auch ein Kreuz aufgestellt. Auch wenn uns ganz unterschiedliche Wege zu diesem Kreuz geführt haben – hier stehen wir und können nicht anders!“
So erzählt der Prokurist Paul Boutmans: „Anfang 2017 las ich zufällig von einer Exkursion durch die sterbenden Dörfer am Tagebau. Treffpunkt Kuckum. Vorher nie gehört, klang interessant. Also bin ich hin. Ein Anwohner und ein Geograph führten eine kleine Gruppe zu Fuß durch die Dörfer Kuckum (noch kein Haus verlassen), Keyenberg (da waren schon leere Häuser), über die Felder und zurück. Diese eindrucksvolle Exkursion mit vielen Erklärungen (z.B. die Metzgerei am alten Standort Keyenberg: verliert über den Umsiedlungsprozess Kunden, dadurch weniger Umsatz, dadurch schlechtere Entschädigung als eigentlich korrekt, und am neuen Standort gelten die aktuellen Arbeitsplatzrichtlinien, da gibt`s keinen Bestandsschutz!) hat mich tatsächlich 14 Tage nicht schlafen lassen!!! Dieser schändliche Umgang mit den betroffenen Dorfbewohnern sollte ‚in meinem Namen‘, nämlich wegen des Gemeinwohls stattfinden. Das war für mich das rote Tuch und der Anstoß, dagegen aktiv zu werden: Nein, diese Enteignungen und diese Landvernichtung geschieht NICHT in MEINEM Namen! Ich bin katholisch getauft und seit Kindheit kenne ich es nicht anders, dass ich - wenn ich an einer Kirche vorbei komme - dort rein gehe, ein Kerzchen entzünde und ein ‚Ave Maria‘, oder ein ‚Vaterunser‘ spreche oder auch einfach nur ein paar Minuten innehalte. Leider ist das ja in den letzten Jahren in vielen Kirchen nicht mehr möglich. Um so wichtiger ist es mir, dieses Symbol der Auferstehung, das mich mein ganzes Leben begleitet und geprägt hat, auch und gerade in Situationen zu zeigen und zu tragen, die für mich existentiell wichtig sind. Damit kamen für mich der Ort der Zerstörung und das Kreuz zusammen.“
Der Förster und Diplomkaufmann Dr. Anselm Meyer-Antz arbeitet als Länderreferent beim bischöflichen Hilfswerk Misereor: „In Asien habe ich gesehen, wie Arme durch den menschengemachten Klimawandel noch ärmer und manchmal auch tot gemacht wurden. Als RWE den Hambacher Wald räumen ließ, um ihn zu roden, hat mir als Förster das Herz geblutet, seltsamerweise erst richtig, als ich sah, dass sie die Eichen noch nicht mal zur Holzverwertung schnitten, sondern einfach schredderten. Da konnte ich den Protest nicht mehr lassen. Als mein Bruder mir von dem bedrohten Örtchen Lützerath am Tagebau Garzweiler erzählte, war ich nicht mehr zu halten. Dort sangen Menschen an der Kante die Gesänge der Brüder von Taize, die mich sehr geprägt haben und mit denen ich bis heute befreundet bin. Ich bin Christ, gut ausgebildet, und zu mir war die Kirche immer sehr gut, auch wenn ich ihre weltlichen Strukturen wenig ernst nehme. Kirche als mystische Gemeinschaft hat mein Leben durch sechs Jahrzehnte besser gemacht. Der Tagebau ist vielfacher Mörder, wenn auch subtil. Ihm das Kreuz entgegen zu stellen, heißt seiner ungerechten Hinrichtungspraxis das Narrativ von der Überwindung des Todes entgegen zu stellen – die hoffnungsvollste Erzählung, die die Menschen kennen. Etwas ganz Besonderes, ist es übrigens, vor einer Aktion ein solches Kreuz in meditativer Ruhe zu schreinern und gelb zu machen.“
Die Rentnerin Irene Mörsch war früher Lehrerin an einer Kaufmännischen Berufschule: „Seit 2016 wurde mir immer mehr bewusst, welche nicht nur räumlichen Ausmaße der Braunkohleabbau im rheinischen Revier hat. Ich beteiligte mich an Spaziergängen und Protesten um den Tagebau Hambach und organisierte 2018 einen Pilgerweg mit dem Aachener Friedenskreuz dorthin. Nachdem der Hambacher Wald zumindest vor der Abholzung verschont war, wurde mir klar, dass um den Tagebau Garzweiler Dörfer, sprich Heimat von Menschen, und wertvollster Ackerboden für den schnellen Profit durch die umweltschädigende Braunkohleverstromung zerstört werden sollten. Also schloss ich mich denen an, die sagten: ‚Wald und Dörfer, beides muss gerettet werden‘. Als ehemalige Religionslehrerin und immer noch in der Kirche Aktive sehe ich das Kreuz als starkes, ermutigendes Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht. Der Tod Jesu am Kreuz ist auf den ersten Blick ein Scheitern, aber seine Anhänger:innen fanden in diesem Zeichen den Mut, Seine Botschaft von Erlösung und Frieden weiterzutragen. Daher gehört das Kreuz an diesen Ort, es kann Hoffnung spenden und unterstützt uns im Einsatz gegen Umweltzerstörung und Mehrung von Profit Weniger, für eine Welt für alle.“
Die Stimme der Theologin Cornelia Senne erklingt oft bei den Gottesdiensten und Andachten der Initiative: „Für Klima-Gerechtigkeit engagiere ich mich zunächst einmal als Mensch und als Christin – und daneben bin ich Theologin. Das (aktive) Eintreten für die Bewahrung der Schöpfung und ein gutes Leben für alle Geschöpfe in Fülle ist für mich sowohl Gebot des Christ:innen-Seins als auch der Menschlichkeit. Seit Jahrzehnten bin ich (links)politisch aktiv, anfangs auch parteipolitisch, später dann eher aktivistisch. Soziale Gerechtigkeit, Ökologie und Ökonomie sind für mich aufs engste miteinander verknüpft. Mein Engagement führte ab 2016 zur Braunkohle, zum Hambacher Wald und – natürlich - nach Lützerath. Und bereits seit 2013 begleitet mich das Transparent mit einem Zitat von Papst Franziskus: ‚Diese Wirtschaft tötet‘. Mit der Initiative ‚Die Kirche(n) im Dorf lassen‘ halten wir Gottesdienste dort, wo es weh tut, an den Orten der Zerstörung unser aller Lebensgrundlagen durch profitgeleitete, neoliberale Wirtschaftsinteressen. Zu unserer religiös motivierten Praxis gehört auch das Aufstellen von Kreuzen an genau diesen Orten. Unsere gelben Kreuze verbinden das gelbe X des Widerstands (ursprünglich bei der Anti-Atom-Bewegung, aktuell bei den bedrohten Dörfern) sichtbar mit dem christlichen Kreuz als Symbol für Leid und Hoffnung. Unsere Gottesdienste sind allein durch die Orte, an denen sie stattfinden, in sich ein widerständiger Akt und häufig Aktionen zivilen Ungehorsams, nicht heimlich, sondern deutlich sichtbar durch die Aufstellung der gelben Kreuze. Unsere Aktionen, die immer ihren religiösen Charakter wahren, stehen in christlicher Tradition und berufen sich auf göttliche Gebote, auf die universalen Menschenrechte: Das Recht allen Lebens in Würde, getragen von gegenseitigem Respekt. Unsere Solidarität gehört allen leidenden, allen schwachen und bedrohten Geschöpfen – und all den Menschen, die sich für eine gerechtere Welt, für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.“
Barbara Orfeld, Diplom-Psychologin, und Martin Hankamer, Diplom-Betriebswirt: „Unser jeweils erster Kontakt mit Garzweiler liegt schon lange zurück, wir kannten uns da noch gar nicht, waren aber gleichermaßen erschüttert von der brutalen Naturzerstörung dort. Wenn man das einmal gesehen hat, lässt einen das nicht wieder los. Du schreist innerlich auf, es geht unter die Haut, du willst etwas dagegen tun. Wir sind beide seit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben aktiv in der Amphibienrettung. Da fragst du dich irgendwann: Gut, ich habe jetzt hunderte Kröten, Frösche und Molche über die Straße geschleppt. Aber gerettet? Wie denn, wenn die Tümpel und Bäche schon im Frühsommer ausgetrocknet sind und die Amphibien entweder aufgrund von Flächenfraß ihre Habitate verlieren oder infolge des Insektensterbens verhungern? Uns wurde dann klar: Wir müssen mehr tun. Viel mehr. Und es geht längst nicht mehr nur um Kröten, um die Tier- und Pflanzenwelt - es geht um uns Menschen. Vor allem um die Menschen im globalen Süden, die jetzt schon unendlich unter der Klimakatastrophe leiden. Über FFF-Demos und Dorfspaziergänge sind wir schließlich mit ‚Die Kirche(n) im Dorf lassen‘ in Kontakt gekommen. Unser Kreuz soll über die lokale Bedeutung - Zerstörung der Dörfer und des Ackerlandes - und die Appelle an die Politik hinaus die Menschen christlichen Glaubens an ihre Verantwortung für die Schöpfung erinnern. Bei der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Deutschland ist die Klimakatastrophe ‚angekommen‘; sie wollen, dass die Politik sie aufhält. Die Politik ignoriert jedoch die Mehrheit, knickt unter dem Druck derjenigen ein, die durch die aktuellen Krisen immer reicher werden. Da ist ziviler Ungehorsam der einzige Weg, dem Recht Geltung zu verschaffen. Quasi das Gebot der Stunde, denn wir haben keine Zeit zu verlieren, können nicht auf den ‚Marsch durch die Institutionen‘ setzen. Im Übrigen war Jesus auch kein angepasster, obrigkeitshöriger Mensch. Er war widerständig und ‚zivil ungehorsam‘ – unser Vorläufer und unser Vorbild.“