Aufruf an die Polizei NRW vom 24. 10. 2021
Aufruf der Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ an die Polizeibeamtinnnen und -beamten des Landes Nordrhein-Westfalen und an alle Vollstreckungsbeamt*innen mit Blick auf die Situation in Lützerath
Die RWE Power AG strebt die völlige Zerstörung der Ortslage Lützerath in den Tagen ab dem 1. 11. 2021 an – und wird dort auf den Widerstand von Bewohner*innen, von jugendlichen und anderen Klimaaktivist*innen treffen. Die RWE Power AG strebt diese "Erschließung" für den Tagebau auf der Grundlage des Bergrechtes an, obwohl ihr längst nicht alle Grundstücke in Lützerath gehören. Ihre Anträge beruhen auf Durchführungsbestimmungen des Bergrechts, die aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur stammen und zu einem großen Teil einen schweren rechtssystematischen Bruch gegen unser Rechtssystem darstellen, z.B. gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.
Die RWE Power AG arbeitet hier mit rücksichtsloser exekutiver Übermacht und setzt sich mannigfach über Recht hinweg, ohne dass die Rechtswege ausgeschöpft werden können. (Zum Beleg: https://www.bund-nrw.de/themen/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlentagebaue/garzweiler/bund-gegen-garzweiler-ii/ ). Die Regierung des Landes NRW kommt RWE dabei zur Hilfe, indem sie Polizeibeamt*innen zur Durchsetzung der fragwürdigen Ansprüche der RWE Power AG einsetzt. Das Verwaltungsgericht Köln hat inzwischen die Rechtswidrigkeit des Einsatzes am Hambacher Forst auf der Grundlage des Baurechts festgestellt: Polizeibeamt*innen, die dort im Einsatz waren, sind also gegen das Recht eingesetzt worden, der verantwortliche Ministerpräsident und der verantwortliche Innenminister sowie die anweisende verantwortliche Bauministerin haben das Recht gebeugt. Das taten sie, als sie die Beamt*innen in den auch für sie gefährlichen, rechtswidrigen und letztlich nach der Entscheidung des OVG Münster sinnlosen Einsatz geschickt haben.
Neben der möglichen Rechtswidrigkeit eines geplanten Einsatzes von Polizeibeamt*innen ist auch die politische und die weltweite Dimension eines Einsatzes im Interesse der RWE Power AG in Lützerath nicht belanglos: RWE Power begründet die Fortführung des Tagebaus an dieser Stelle damit, dass dieser für die Energiesicherheit notwendig sei und dass andere Formen der Auskohlung nicht möglich seien. Das ist nach einem Gutachten des DIW unwahr. Wahr ist vielmehr, dass nach Auskunft von Ingenieuren andere Formen des weiteren Verfahrens mit dem Tagebau Garzweiler möglich sind, dies aber für die RWE Power AG aufwändiger und damit teurer wäre.
Gleichzeitig machen die ca. 180 Todesopfer der Überschwemmungskatastrophe in der Eifel eines deutlich: Da es sich beim Klima um träge Systeme handelt, muss der CO2-Austritt sofort signifikant verringert werden. Käme es zu einer Auskohlung der Kohleflöze unter Lützerath und zu deren Verfeuerung in Deutschland, würde unser Land seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimavertrag verletzen. Ein Einsatz von Polizeibeamt*innen in Lützerath, der die Fortführung des Tagebaus von RWE power ermöglichen soll, stellt deshalb einen Bruch internationaler Verträge dar. Auch weisen Religionsführer in der ganzen Welt, u.a. Papst Franziskus darauf hin, dass der CO2-Ausstoß durch Kohleverstromung gesenkt werden muss. Selbst der Vorstandsvorsitzende der Muttergesellschaft RWE AG bestätigt im Interview die Notwendigkeit, die Kohleverstromung früher zu beenden als dies derzeit von der NRW-Landesregierung geplant wird.
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in NRW:
Lützerath ist nicht ein Symbol für die 1,5°-Klimagrenze, Lützerath ist die 1,5°-Klimawandelgrenze in Deutschland – und man will Sie mit den Einsatzmitteln Reizgas, Schlagstock, Wasserwerfer und weiteren Mitteln des unmittelbaren Zwangs losschicken, diese Grenze zu überschreiten! Man will Sie gegen einen rechtschaffenen Bauern, gegen Kinder und Jugendliche, gegen bekennende Christ*innen und Geistliche in Lützerath einsetzen. Es sind keine Anarchist*innen, wie Ihnen vielleicht gesagt wird, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft - wie Sie!
Bedenken Sie, dass Sie Lehrer*innen und anderen Staatsdiener*innen gegenüberstehen werden! Diesen wird es später sehr schwerfallen, künftig weiterhin das Bild vom „Freund und Helfer“ zu lehren. Bedenken Sie auch, dass am Ende des Einsatzes im Hambacher Wald ein hoffnungsvoller junger Journalist verstorben ist!
Sie verfügen jedoch über legitime und legale Mittel, gegen diesen Angriff auf das Klima vorzugehen. §59 Abs.2 LBG NRW iVm § 63 des Bundesbeamtengesetzes ermöglicht Ihnen die Remonstration genannte Einwendung gegen die Einsatzanordnung. Der genannte Paragraph weist auch darauf hin, dass Sie die „volle persönliche Verantwortung“ für die „Rechtmäßigkeit“ Ihres Handelns tragen. Wir rufen Sie deshalb auf: Machen Sie nachdrücklich und wiederholt vom Recht auf Remonstration Gebrauch! Wir rufen Sie nicht dazu auf, Ihre entsprechenden Einsätze zu Ihrem persönlichen Nachteil zu boykottieren, wir rufen Sie auf: Nutzen Sie Ihre rechtlichen Möglichkeiten, diesen Angriff auf das Weltklima und unsere Lebensgrundlagen zu stoppen! Über Ihre Remonstration darf es keinen Eintrag in Ihre Personalakte geben. Über die Verfahrensmöglichkeiten muss Sie Ihr Personalrat informieren.
Wir appellieren an Sie!
Wir sehen uns in Lützerath.