In der Lesung hörten wir einen Teil aus der Erzählung David gegen Goliath. Sie ist zum Synonym für ungleiche Kräfteverhältnisse geworden: Goliath, groß – er erschien wie ein Riese –, stark, schwer bewaffnet und gerüstet. Er hatte bislang jeden Feind niedergezwungen, niemand traute sich mehr, gegen ihn anzutreten. Er war die „Geheimwaffe“ der Philisters und sie waren auch diesmal siegessicher.
Auf der anderen Seite David, ein sehr junger Mann, Hirte, er spielte die Leier und deshalb sollte er an den Hof kommen, um den schwermütigen König Saul aufzuheitern.
Ungleicher konnten die Voraussetzungen kaum sein. Hinzu kam, dass David in dieser Art Kampf, Mann gegen Mann, gegen einen solchen Gegner, ungeübt war. Er hatte gegen Löwen und Bären gekämpft, doch in der Rüstung, die ihm angelegt wurde, konnte er kaum laufen, sich nicht bewegen. Konsequenterweise legte er Rüstung und Speer ab und stellte sich Goliath mit seiner Waffe, der Steinschleuder, entgegen.
Würde die Erzählung an dieser Stelle enden, bliebe der Ausgang des Kampfes offen. Doch wer würde ernsthaft glauben, dass David diesen Kampf – in dem es um nichts weniger als sein Leben und den Bestand Israels ging – gewinnen konnte? Kaum jemand! Doch er hat gesiegt und wir können uns fragen: Wie war das möglich?
David hat vertraut. Er vertraute auf die eigenen Erfahrungen, die er in seinen Kämpfen gemacht hatte. Er vertraute auf seine Waffe, mit der er umgehen konnte und auf seine Taktik, den Kampf zu führen. Er wusste, diese Art des Kampfes war seinem Gegner fremd.
Und David vertraute auf seinen Gott, denn er war sich sicher, für die gerechte Sache zu streiten.
Die Parallelen zu unserer Situation sind deutlich – der scheinbar übermächtige Gegner, dem alle Mittel, alle Macht zur Verfügung stehen, um sein Vorhaben umzusetzen – die Zerstörung der Dörfern, der Natur, der Schöpfung. An seiner Seite stehen Politiker, die von Klimaschutz reden, uns jedoch mit ihrem Handeln weiter in die Klimakatastrophe führen.
Im Gegensatz zu David stellen wir uns jedoch nicht einzeln gegen diese Gegner. Wir sind viele und werden jeden Tag mehr, in allen Regionen der Welt stehen Menschen auf und wehren sich gegen Zerstörung und Ungerechtigkeit.
Dabei sind wir sind eine bunte Gemeinschaft mit unseren je eigenen Protestformen, seien es Konzerte, Demos, Blockaden oder eben Gottesdienste. Uns eint das Ziel einer gerechte Welt, in der jeder Mensch das hat, was er benötigt für ein gutes Leben. Und genau darin liegt unsere Stärke – in der Vielfalt, die so neu und unberechenbar ist, in der Solidarität, die in sich schon Widerstand ist in einer entsolidarisierten Welt – und in der tiefe Überzeugung, für das richtige Ziel zu streiten.
Es ist ein übergeordnetes Ziel, das jenseits des rein Materiellen liegt – eine gerechte Welt für die Menschen und die Schöpfung – es weist in die Zukunft; christlich gesagt auf Befreiung und das Reich Gottes.
Es ist so ganz anders als das Ziel von RWE und anderen, denen es um Profit, um Macht und damit um Herrschaft geht – auch wenn sie ihr Handeln vor sich selber vielleicht anders rechtfertigen. Sie sind Teil eines Systems, das der Theologe Karl Barth – neben anderen – die „herrenlosen Gewalten“ nannte. Es sind von Menschen geschaffene Systeme, die sich verselbstständigen, zur Selbstverständlichkeit werden. Sie erlangen Macht über die Menschen, werden zu Götzen, die nichts und niemanden neben oder gar über sich dulden – „herrenlos“, da gegenüber niemandem mehr verantwortlich.
Alles Handeln wird ihnen untergeordnet, dabei wird die Verantwortung für das eigen Handeln abgegeben an das System, den „Markt“, der verlangt und zwingt. Das beschädigt jeden Menschen, entfremdet uns, nimmt uns die Freiheit. Doch wir Menschen haben dieses System, das gewalttätig und zerstörerisch ist, geschaffen – und deshalb können wir es auch verändern.
Dabei können wir scheitern, immer wieder. David gewann den Kampf, später wurde er Israels König, doch er machte sich schuldig, und sein persönliches Scheitern, der Verstoß gegen Gottes Gebote, legte den Grund für den Untergang des Königreiches.
Doch in jedem Scheitern steckt auch die Möglichkeit der Hoffnung und Stärkung. So wie die Jünger in Emmaus erfahren haben, dass Jesu Tod nicht das Ende war, sondern im Gegenteil ein Neuanfang. Für uns Christ*innen ist mit Jesu Auferstehung Gottes Liebe präsent, sie ist uns Hoffnung und Antrieb, uns einzusetzen für Gerechtigkeit in dieser Welt.
Der Apostel Paulus sagt in einem der schönsten Texte der Bibel, dem Hohelied der Liebe: „Wenn ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, es nützte mir nichts.“ Und weiter: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe; die Größte aber von diesen ist die Liebe.“
Ich denke, diese Aussage ist universell gültig. Gemeinschaft zu erleben und zu leben, sich für den Nächsten, der immer der Andere ist, sich für Gerechtigkeit für die gesamte Schöpfung einzusetzen, das ist Liebe. Und – nochmals Paulus – Liebe hofft alles, auch, dass ungleiche Kräfteverhältnisse nicht zwingend den Ausgang bestimmen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus.