Weihnachtsgottesdienst an der Kante
So wie überall auf der Welt Menschen Weihnachten gefeiert haben, sind auch wir heute zusammen gekommen, um als Gemeinschaft, als „Gemeinde“ an der Kante zusammen Weihnachten zu feiern. Am 4. Advent hatten wir einen Weihnachtsbaum aus den Ästen der gefällten Bäume gebastelt und geschmückt, doch er wurde durch RWE bereits wieder abgerissen.
Doch was feiern wir da eigentlich jedes Jahr wieder? Als Christ*innen feiern wir, dass mit der Geburt Jesu Gott Mensch wurde. Wir können auch sagen: Das Göttliche kam in die Welt. Und dieses Göttliche haben wir definiert als das absolut Gute; als Gerechtigkeit, die der gesamten Schöpfung gilt; weltumfassenden Frieden, der basiert auf gegenseitigem Respekt und der Liebe untereinander: Denn daran werden euch alle erkennen, dass ihr meine Jünger*innen seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Es klingt nach reiner Utopie, v.a. hier an diesem Ort, wo Zerstörung und Gewalt so deutlich zu sehen ist. Doch seit Jahrtausenden haben Menschen diese Hoffnung, dieses Verlangen und Streben nach dem Guten, nach Gerechtigkeit und Frieden.
Das ist das Göttliche, das in die Welt kommt, das ist die Ebenbildlichkeit der Menschen – das kommt Weihnachten in die Welt.
Doch das Göttliche kommt nicht als starker, strahlender Held in schimmernder Rüstung, nein: „Denn ein Kind ist uns geboren, auf seinen Schultern liegt die Macht.“
Ein Säugling, alleine nicht überlebensfähig. Er muss versorgt werden, behütet und beschützt werden vor Krankheit, Gefahren und Gewalt. So mussten Jesu Eltern nach Ägypten fliehen, um ihr Kind vor König Herodes zu bewahren. Um seine persönliche Machtstellung zu erhalten, hatte er den systematischen Kindermord an allen Jungen unter zwei Jahren befohlen.
In diesem verletzlichen Wesen kam das Göttliche in die Welt, wurde Mensch, wurde zur realen Hoffnung auf eine bessere, gerechtere Welt.
Das feiern die Menschen jedes Jahr auf Neue, das feiern wir hier heute an diesem Ort: Diese zarte Hoffnung, dieses kleine Licht, das entzündet wurde.
Hier dürfen wir auf uns schauen, auf den Widerstand gegen eine zerstörerische Macht, die allein aus Eigeninteresse gewalttätig und brutal Heimat und Existenzen zerstört – Bauer Eckhard aus Lützerath hat vor einigen Tagen – quasi als Weihnachtsgeschenk von RWE und der Bezirksregierung – den Enteignungsbescheid bekommen. Mit ihrem Handeln treiben uns RWE, Politiker und andere Akteure immer weiter in die globale Klimakatastrophe und Begriffe wie Gerechtigkeit, Respekt und Achtung kennen sie nur auf sich selber bezogen. Gerade in diesen Tagen regt es viele von uns besonders auf, dass ein Gutachten verschwunden wr und erst jetzt wieder ans Tageslicht kommt, nachdem es seine Wirkung nicht mehr entfalten kann.
Unser Widerstand – die Hoffnung auf Veränderbarkeit – begann klein, doch wir haben ihn gehegt und gepflegt und er wuchst heran, wurde größer, stärker, lauter.
Doch wenn wir heute Weihnachten feiern, kennen wir natürlich die Geschichte Jesu. Wir wissen um die kleinen Anfänge der Jesus-Bewegung, wissen um ihr Anwachsen, kennen aber auch die Gegenkräfte, die Mächtigen, die der Hoffnung auf eine andere, bessere Welt für die Schwachen der Gesellschaft – für die vielen – entgegen standen.
Sie haben Jesus ermordet, sie haben ihn brutal gefoltert und ans Kreuz geschlagen – die damalige Strafe für Aufrührer. Sie hofften, diese junge Bewegung damit endgültig zu verschlagen, wieder Ruhe ins Land zu bringen, um so ihren eigenen Status Quo zu erhalten.
Weihnachten und das Kreuz – geht das zusammen? Wir denken, ja.
Wir sind hier zusammen gekommen, um die Geburt Jesu, das Kommen der Hoffnung und des Lichts, zu feiern – und wir haben ein Kreuz aufgerichtet, gebaut aus den gefällten Bäumen aus Lützerath.
Das Kreuz steht für das Leid: für die geschundene Kreatur, gefoltert, und entblößt.
Es steht für die leidenden Menschen auf der Welt, für die Zerstörung der Natur, für die gequälten Schöpfung.
Doch für uns Christ*innen ist es mehr, denn wir wissen, das mit dem Kreuz nicht das Ende Jesu, nicht das Ende der jungen Bewegung kam. Jesus ist auferstanden und auch seine Jünger*innen haben sich in Emmaus wieder gesammelt. Die Botschaft der Hoffnung, das Festhalten daran konnte nicht zerstört werden. Die Bewegung wuchs, verbreitete sich und trug über Jahrhunderte.
Deshalb sind auch wir heute hier und stellen uns in die lange Tradition der Menschen, die hier zuletzt im Immerather Dom gemeinsam Weihnachten feierten.
Sie und wir feiern die Hoffnung auf Erlösung, auf Friede und Gerechtigkeit, auf ein Leben in Fülle für alle, für die gesamte Schöpfung.
Und das Symbol für die Hoffnung wider aller Wahrscheinlichkeit ist das Kreuz.